Abmahnungen des Arbeitgebers und dagegen gerichtete Klagen des Arbeitnehmers sind ein probates Mittel, streitige rechtliche Themen gerichtlich entscheiden zu lassen.
In einem solchen Fall beschäftigte sich in zweiter Instanz das LAG Schleswig Holstein mit einem Urteil aus dem September 2022 (AZ.: 1 Sa 39 öD/22) mit der Frage, ob ein Arbeitnehmer dienstliche Nachrichten des Arbeitgebers nach Feierabend noch lesen müsse oder ob er damit bis zum Beginn der darauf folgenden vertraglichen Arbeitszeit warten dürfe.
Im konkreten Fall ging es um einen Notfall Sanitäter, der als Angestellter mit einer wöchentlichen Arbeitszeit (inklusive Bereitschaftsdienst) von 48 Stunden arbeitete. In einer Betriebsvereinbarung zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber war festgelegt, dass Notfall Sanitäter auch zu Springerdiensten verpflichtet werden können, etwa bei kurzfristigen Erkrankungen von Kollegen. Dazu musste der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber spätestens am Vortag bis 20:00 Uhr darüber informiert werden, dass er als Springer tätig sein soll. Mitarbeiter hatten die Möglichkeit, im Internet den Dienstplan in seiner aktuellen Form einzusehen.
Als der Arbeitgeber eines Morgens um 6:00 Uhr kurzfristig feststellte, dass er einen Springer brauchte, trug er den Arbeitnehmer kurzerhand in den Dienstplan ein, versuchte ihn anzurufen und schickte ihm, nachdem er ihn nicht erreichte, eine SMS. Auf diese antwortete der Arbeitnehmer nicht und gab erst um 7:30 Uhr morgens Bescheid, an die Arbeit gehen zu können. Aufgrund dessen kam der Arbeitnehmer statt um 7:30 Uhr als vertraglichem Arbeitsbeginn auch erst später, die Differenzzeiträume wurden nicht bezahlt.
Wenige Monate später geschah ein ähnlicher Sachverhalt. In beiden Fällen gab es eine Abmahnung.
Mit Klage beim Arbeitsgericht verlangte der Arbeitnehmer Entfernung der Abmahnungen und Differenzlohn.. Er sei nicht dazu verpflichtet, sich während seiner Freizeit zu informieren, wann er zu arbeiten habe. Sein Handy habe er aus familiären Gründen lautlos gestellt und die SMS habe er aus technischen Gründen nicht gelesen und nicht lesen können.
Der Arbeitgeber war der Ansicht, Abmahnungen und Lohnabzug seinen in Ordnung, weil er den Dienstplan ändern dürfe und weil der Arbeitnehmer auch in seiner Freizeit dauerhaft verpflichtet sei, den Dienstplan auf etwaige kurzfristige Änderungen zu überprüfen. Das sei keine Arbeit. Aufgrund seiner arbeitsvertraglichen Loyalitätspflicht sei der Arbeitnehmer auch verpflichtet, sein Telefon zu benutzen, um erreichbar zu sein.
Das LAG Schleswig-Holstein löste den Fall wie folgt: Der Arbeitgeber dürfe zwar kraft Direktionsrechts den Dienstplan ändern. Allerdings müsse diese Änderung dem Mitarbeiter auch zu gehen. Und dies habe der Arbeitgeber hier nicht nachgewiesen.
Ein Zugang im rechtlichen Sinne vor Beginn der neuen Arbeitszeit sei auch nicht anzunehmen, weil der Arbeitnehmer nicht verpflichtet gewesen sei, Änderungen des Dienstplans in seiner Freizeit zu prüfen. Weder müsse er einen Telefonanruf entgegennehmen noch eine SMS lesen. Das LAG wehrte sich auch gegen die Argumentation, die entsprechend verbrachte Freizeit (laut Meinung des Arbeitgebers) sei „keine Arbeit“.
Folglich seien die Abmahnung zu entfernen, der Lohn sei nachzuzahlen.
(Der Lösungsweg hat gewisse Risiken für Arbeitnehmer, wenn der Arbeitgeber im Nachhinein beweisen kann, dass die Änderung des Dienstplans zugegangen ist, z.B. durch ein Abnehmen des Telefons und eine Verweigerung bzw. durch eine Absage per SMS …. Das sind andere Sachverhalte als der vom LAG entschiedene.)
Rechtsanwalt Klaus Maier
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt für Insolvenzrecht
Spezialist für Insolvenzanfechtungsrecht
Insolvenzverwalter
Zertifizierter Schuldnerberater
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