Meist endet ein Strafverfahren, wenn es nicht zuvor eingestellt wurde, nicht mit einem Freispruch, sondern mit einer Verurteilung. Eine Verurteilung kann jedoch noch viele andere, möglicherweise sogar weit schmerzhaftere Konsequenzen mit sich bringen als die verhängte Geld- und/oder Freiheitsstrafe. Oft sind diese aber nicht bekannt und stellen sich – ist man nicht vorher fachkundig beraten – erst heraus, wenn es zu spät ist und wenn eigentlich vorhandene Handlungsmöglichkeiten nicht mehr möglich sind!
1) Fahrverbot:
Eine empfindliche Sanktion als Nebenstrafe kann z.B. ein Fahrverbot sein, das aber nur neben einer der beiden Hauptstrafen Geld- oder Freiheitsstrafe, nicht aber isoliert verhängt werden darf. Ein Fahrverbot kann bis zu sechs Monaten verhängt werden.
Auch ist keine sogenannte Anlasstat mehr erforderlich, sondern das Fahrverbot kann nunmehr bei jeder Strafe als Nebenfolge verhängt werden, unabhängig davon, ob es sich dabei um ein Verkehrsdelikt oder etwas ganz anderes handelt.
2) Entziehung der Fahrerlaubnis:
Nicht mit dem Fahrverbot zu verwechseln ist die Entziehung der Fahrerlaubnis. Diese ist gefährlicher als ein Fahrverbot, weil sie länger dauert, mit höheren Kosten verbunden ist und der Führerschein neu gemacht werden muss – wenn das überhaupt von der zuständigen Behörde zugelassen wird…. (z.B. bei Alkohol- und Drogenproblemen…)
Ein Fahrverbot kann u.U. neben die Entziehung der Fahrerlaubnis treten, wenn es gerade darum geht, auch die Nutzung fahrerlaubnisfreier Kraftfahrzeuge, z.B. Mofas, zu verbieten.
Zeitgleich mit der Entziehung muss aber auch eine Sperre für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis bestimmt werden. Die Sperre muss mindestens sechs Monate und darf höchstens fünf Jahre betragen. Hat der Verurteilte keine Fahrerlaubnis, weil er sich beispielsweise wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis schuldig gemacht hat, ist trotzdem eine isolierte Sperre anzuordnen.
Voraussetzung für eine Entziehung der Fahrerlaubnis ist, dass der Verurteilte zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet ist. Seine körperlichen, geistigen oder charakterlichen Mängel müssten seine Teilnahme am Straßenverkehr zu einer Gefahr für Andere werden lassen.
Obwohl es sich bei der Entziehung der Fahrerlaubnis gerade nicht um eine Strafe im eigentlichen Sinne handelt, ist die Maßnahme für jemanden, der auf seinen Führerschein angewiesen ist, sehr einschneidend.
Wer beruflich auf den Führerschein angewiesen ist – Arbeitnehmer oder Selbständiger …. – kann hier im Einzelfall seine finanzielle Existenzgrundlage verlieren.
3) Vermögensabschöpfung:
Ferner ist zu berücksichtigen, dass neben den eigentlichen Hauptstrafen im Strafprozess, weitere finanzielle Einbußen in Form von Vermögensabschöpfungen auf den Beschuldigten zukommen können.
Diese gestaltet sich wie folgt:
Was der Täter durch die Tat erlangt hat, soll er nicht behalten dürfen. Erfasst wird dadurch nicht nur ein Vermögensvorteil, also etwa das beim Betrug oder Diebstahl erlangte Geld, sondern jegliches erlangte „Etwas“. Ganz oft wird es sich dabei um Tatentgelte, wie z.B. Verkaufspreis beim BtM-Handel, Bestechungsgelder oder um den Gewinn aus einer Betrugs- oder Diebstahlstat handeln, aber auch andere wirtschaftliche Werte sind „erlangtes Etwas“ in diesem Sinne.
Beschuldigte einer Straftat, bei denen die Vermögensabschöpfung in Betracht kommt, werden von der Polizei regelmäßig nicht darauf hingewiesen! Deshalb ist immer ratsam, vorab einen Strafverteidiger zu konsultieren, bevor wahllos Angaben gemacht werden oder auch die „Kronzeugenregelung“ zum Einsatz kommt. Kronzeugen haben hinterher oft derartige finanzielle Einbußen durch die „Vermögensabschöpfung“, dass sie ein Leben lang finanziell ruiniert sind!
4) Zivilrechtliche Ansprüche:
Außerdem muss bei der Strafverteidigung berücksichtigt werden, dass dem Opfer im Strafverfahren meist ein zivilrechtlicher Anspruch zusteht.
Oft werden zivilrechtliche Forderungen durch die Berechtigten erst im Anschluss an eine bereits erfolgte Verurteilung geltend gemacht, was dann zu einer unangenehmen Überraschung führen kann, vor allem bei Körperverletzungen. Insoweit handelt es sich meist um Regressforderungen der Krankenversicherungen, wie beispielsweise Krankenhaus- und Behandlungskosten oder Verdienstausfälle, sofern dafür zunächst die Versicherungen eingesprungen sind. In Frage kommen z.B. aber auch Schmerzensgeld – und Schadenersatzforderungen.
Im Wirtschaftsstrafrecht können die zivilrechtlichen Folgen einer Verurteilung existenzvernichtend sein. So haften etwa ein verurteilter Kapitalanlagebetrüger oder sonstiger Betrüger persönlich. Ein vorschneller „Deal“ mit dem Gericht verbietet sich in derartigen Konstellationen, bei denen die Nebenfolgen weit gravierender sein können als die Strafe selbst.
Auch können Organe juristischer Personen im Einzelfall schnell in persönliche Haftungsansprüche kommen, deren Voraussetzungen oft unvorsichtig im Strafverfahren zugestanden werden.
Manchmal macht es schon während des laufenden Strafverfahrens Sinn, durch die Verteidigung eine eigene Initiative zur Zahlung von Schadensersatz oder Schmerzensgeld an das Opfer zu ergreifen. Dies kann sich dann günstig für die Strafzumessung auswirken, beispielsweise im Rahmen eines Täter-Opfer-Ausgleichs.
Auch das Opfer selbst kann schon während des Strafverfahrens versuchen, zivilrechtliche Schadensersatz- oder Schmerzensgeldansprüche gerichtlich feststellen zu lassen. Durch das sog. Adhäsionsverfahren – (ein Zusammenlegen zivilrechtlicher und strafrechtlicher Verfahren) sollen die Opferrechte gestärkt und eine einheitliche Entscheidung sichergestellt werden.
Zulässig ist das Verfahren allerdings nur in einem Strafprozess gegen einen erwachsenen Beschuldigten, nicht in Verfahren gegen Jugendliche.
Das Opfer kann sich jedoch auch dazu entscheiden, die Ansprüche in einem späteren Verfahren zivilrechtlich geltend zu machen, weshalb auch noch einige Zeit nach dem strafrechtlichen Verfahren zivilrechtliche Ansprüche geltend werden könnten.
5) Registersperre und registerrechtliche Folgen:
Nicht zu unterschätzen sind schließlich auch die registerrechtlichen Folgen einer Verurteilung, also Einträge im Bundes-, Gewerbe- oder Verkehrszentralregister.
Solche Einträge können das Strafmaß in späteren Straf- oder Bußgeldverfahren erhöhen, oder aber auch zukünftige behördliche Entscheidungen beeinflussen, etwa dann, wenn bestimmte Tätigkeiten einer Genehmigung unterliegen.
Wer etwa einen Waffenschein beantragt, muss unter anderem eine besondere Zuverlässigkeit nachweisen, wer bereits strafrechtlich verurteilt wurde, besitzt diese Zuverlässigkeit jedoch nicht.
Auch für Einbürgerungsentscheidungen kommt es auf den Inhalt des Bundeszentralregisters an.
Jemand der wegen eines Bankrottdelikts oder wegen Insolvenzverschleppung verurteilt wurde, kann für mehrere Jahre nicht mehr Geschäftsführer einer GmbH sein.
Deswegen ist auch von Anfang an bei der Strafverteidigung zu berücksichtigen, dass eine besondere Genehmigung, wie beispielsweise ein Jagdschein oder ein Waffenschein, im Falle einer Verurteilung widerrufen werden kann.
Sportschützen und Jäger müssten bereits bei einer geringen Verurteilung zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen damit rechnen, dass ihnen ihre „Scheine“ entzogen werden.
Auch Piloten oder Mitarbeiter in Flughäfen können schon geringe Strafen oder Fahrverbote/ein Führerscheinentzug hart im Hinblick auf ihre Berufsausübung treffen.
Eine besondere Zuverlässigkeit muss auch bei einer Gewerbeerlaubnis vorweisen können, wer bestimmten gewerblichen Tätigkeiten nachgehen möchte. Fehlt diese, kann die Ausübung des Gewerbes untersagt werden.
6) Beamtenrechtliche Konsequenzen:
Besonders drastisch können die Folgen auch für Beamte und Soldaten sein. Werden diese etwa zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr oder, wegen besonderer dienstbezogener oder staatsgefährdender Delikte zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt, endet das Beamtenverhältnis mit Rechtskraft des Urteils automatisch.
Damit endet aber nicht nur das Beamtenverhältnis, sondern auch Besoldungs- und Versorgungsansprüche.
7) Berufsverbot und berufsrechtliche Folgen:
Bei schweren Verstößen kann Anwälten die Zulassung entzogen werden, besondere Anwaltsgerichte können weitere Sanktionen verhängen. Apothekern und Ärzten kann die Approbation entzogen werden, auch die Geschäftsführung einer GmbH oder die Vorstandsmitgliedschaft in einer AG kann untersagt werden.
Die oft in Spezialgesetzen angeordneten berufsrechtlichen Folgen ergänzen insoweit die grundsätzliche Regelung des § 70 StGB zum Berufsverbot.
Übrigens kann auch eine Verfahrenseinstellung unter Auflagen, § 153a Abs. 2 StPO, von manchen Verwaltungsbehörden zum Anlass genommen werden, oben geschilderte Maßnahmen anzuordnen. Das Einverständnis des Verurteilten, die Auflage zu erfüllen, wird nämlich leider vereinzelt als Schuldeingeständnis gewertet. Deswegen sollte dagegen vorgegangen werden.
8) Vorstrafen und Bewerbungsgespräche:
Nicht unberücksichtigt sollte bleiben, dass wenn die Verurteilung rechtskräftig und möglicherweise auch in ein Register eingetragen ist, das möglicherweise auch beim nächsten Bewerbungsgespräch um eine Arbeitsstelle zu beachten ist.
Fragen nach Vorstrafen, insbesondere einschlägiger Art – Gewalttaten beim Sicherheitsdienst, Vermögensdelikte bei Kassierern usw. – sind oft zulässig (wenn das Delikt etwas mit dem Job zu tun hat) und müssen dann wahrheitsgemäß beantwortet werden. Wer auf diese Fragen falsch antwortet, muss damit rechnen, dass das Arbeitsverhältnis angefochten und schnell beendet wird.
In Extremfällen muss sogar ungefragt Info gegeben werden.
Zu beachten gilt:
Alle Verurteilungen zu mehr als 90 Tagessätzen und Freiheitsstrafen von mehr als 3 Monaten stellen eine „Vorstrafe“ dar. Oft (z.B. bei Bewerbungen um Beamtenstellen oder bei vielen Arbeitsverhältnissen) müssen auch polizeiliche Führungszeugnisse vorgelegt werden, in denen solche Vorstrafen auch eingetragen sind!
Aber auch wer während eines bestehenden Arbeitsverhältnisses in Untersuchungshaft gerät, muss im Einzelfall mit einer Kündigung rechnen.
Mit Beginn der Inhaftierung ist der Arbeitnehmer an der Erbringung seiner arbeitsvertraglich geschuldeten Leistung gehindert – er kann ja nicht mehr zur Arbeit kommen.
Diese Pflichtverletzung kann unter engen Voraussetzungen ebenfalls eine Kündigung begründen, zumindest dann, wenn die Straftat mit dem Arbeitsverhältnis zusammenhängt.
9) Ausländerrechtliche Konsequenzen
Schließlich kann eine Verurteilung auch etwaige ausländerrechtliche Konsequenzen mit sich bringen, die ganz besonders einschneidend sein können und nicht selten weit schwerer wiegen als die Verurteilung zu einer Haftstrafe.
Verurteilungen zu schwereren Straftaten können – insbesondere bei Drogendelikten – zur Abschiebung führen.
Die Vollstreckungsbehörden können bei Ausländern (meist nach Verbüßung mindestens der Hälfte der Haftstrafe) von der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe absehen und den Verurteilten stattdessen abschieben.
Daher ist es sehr wichtig, dass diese Nebenfolgen von Anfang an berücksichtigt und in die Verteidigungsstrategie mit aufgenommen werden, damit es später keine bösen Überraschungen mehr gibt! Nur eine frühzeitige Einschätzung eines Anwalts verhindert, dass gefährliche Nebenfolgen übersehen werden oder dass durch falsches Taktieren, unvorsichtige Angaben vermeidbare Nebenfolgen unnötig eintreten.
Miriam Mager
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Strafrecht