Sie erinnern sich aus dem Biologieunterricht noch, was Geckos sind? Genau, tropische Eidechsen, die unter genialer Ausnutzung interatomarer Van-der-Wals- Kräfte an der Decke zu kleben scheinen und den Pauschaltouristen die störenden Fliegen wegfressen. Nett, aber leider auch ein Grund dafür, dass man dann den Reisepreis schlechter mindern kann, es sei denn, man störe sich auch an ihnen ….
Bloss: Wie kommen diese netten Viecher auf eine Anwaltswebsite? Durch die Entscheidung des OLG Köln, Urteil vom 28.02.2020, Az. 6 U2 138/19.
Ein Online-Händler mit Nahrungsergänzungsmittel für Menschen (Letzteres klingt selbstverständlich, wird aber noch wichtig werden …) verwendete eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung in seinem Onlineshop.
Ein anderer Marktteilnehmer, der allerdings Nahrungsergänzungsmittel für Geckos verkaufte (aha!) nahm dies zum Anlass, mit wettbewerbsrechtlichen Anspruchsgrundlagen den ersten Händler abzumahnen. Dies scheiterte.
Der abgemahnte Händler war sauer – sein Anwalt bei der Verteidigung gegen die unberechtigte Abmahnung hatte Geld gekostet – und verlangte nach § 8 Abs. 4 S. 2 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb die zur Verteidigung erforderlichen Anwaltskosten erstattet.
Das ging bis vor‘s OLG Köln (siehe oben), welches letztlich die zur Erstattung erforderliche Rechtsmissbräuchlichkeit des Vorgehens des Abmahners feststellte.
Ein Wettbewerbsverhältnis zwischen den beiden Beteiligten anzunehmen, sei Pflicht „abwegig“, daraus könne geschlossen werden, dass es dem Gecko-Nahrungsergänzungsmittel-Verkäufer nicht um wettbewerbsrechtliche Belange und eine Abstellung eines Wettbewerbsverstoßes gegangen sei, sondern um „sachfremde“ Motive, letztlich also den Versuch, über ungerechtfertigte Abmahnungen geltendzumachen.
Gerne wäre der Verfasser dieses Artikels in der mündlichen Verhandlung Mäuschen gewesen, um die ausgetauschten Argumente zu hören. Vorschläge wären hier z.B.
„ Die Menschen fressen den armen Geckos inzwischen die Insekten weg. Also muss es auch ein Wettbewerbsverhältnis geben können…“ oder
„ Manche Menschen können inzwischen auch an den Wänden und Decken kleben“ (ja, in Hollywood…)
Spaß beiseite: Das Urteil wirft der abgemahnte Unternehmer die allgemeine Frage auf, wie man missbräuchliche wettbewerbsrechtliche Abmahnungen erkennt, nämlich dann, wenn mit der Geltendmachung des Anspruchs überwiegend sachfremde und nicht schutzwürdige Interessen und Ziele verfolgt werden.
Indizien dafür (Leider ist jeder Einzelfall ganz genau anzugucken) sind z.B. die folgenden:
- Viele Abmahnungen mit gleichem Inhalt an unterschiedliche Unternehmen, mit dem Ziel, Kostenpauschalen … geltendzumachen.
- Personelle und wirtschaftliche Verflechtungen zwischen Abmahnung und beauftragten Anwälten
- minimale Branchenüberschneidungen, z.B. bei nur gelegentlichem Verkauf maßgeblicher Waren
- wiederholte Abmahnung geringfügiger Verstöße unter Verwendung von Textbausteinen
- heraussuchen von wirtschaftlich unbedeutenden, kleinen Mitbewerbern als Abmahnungsgegner, um die Gefahr einer Gegenwehr zu minimieren
- Fehlen eines örtlichen Bezugs zum angerufenen Gericht
- Ansatz überhöhter Streitwerte
- koordinierte mehrfache Verfolgung identischer Verstöße aufgrund abgestimmten und koordinierten Verhaltens von Abmahnern
Im Einzelfall macht es Sinn, sich hier sehr kurzfristig Rat bei einem Rechtsanwalt oder der zuständigen Industrie- und Handelskammer einzuholen, bevor man eine Abmahnung akzeptiert (Letztere kennt oft Parallelfälle ….)