Fast jeder kennt jemanden, der pflegebedürftige alte Verwandte hat, die nicht ins Altersheim wollen. Eine probate Lösung dafür erscheint für viele die häusliche Pflege mittels ausländischer – meist osteuropäischer- Pfleger oder Pflegerinnen, die im Haus wohnen und bestimmte Tätigkeiten erbringen. Diese Modelle laufen teils über direkte Arbeitsverträge zwischen den Pflegern und Pflegerinnen einerseits und den zu Pflegenden oder Verwandten derselben andererseits, teils über Anstellungen der Pfleger und Pflegerinnen bei meist ausländischen Gesellschaften, die dann wiederum einen Vertrag mit dem zu Pflegenden haben.
Aber jetzt zum Fall:
Eine bulgarische Pflegekraft, die bei einer bulgarischen Unternehmung als „Sozialassistentin“ angestellt worden war, hatte in Berlin bei einer über 90-jährigen Dame im Haushalt gelebt und gegen eine Nettovergütung von Euro 950, -monatlich Haushaltstätigkeiten, soziale Aufgaben sowie eine pflegerische Grundversorgung erbracht. Formal waren 30 Wochenstunden vereinbart. Der alten Dame als Vertragspartnerin gegenüber war im Dienstleistungsvertrag zwischen den Beteiligten allerdings von einer 24-Stunden-Betreuung gesprochen worden.
Im Jahr 2018 erhob die Klägerin gegen das bulgarische Unternehmen unter Berufung auf das deutsche Mindestlohngesetz Klage auf weitere Vergütung, wobei sie nicht nur die Differenzbeträge für die 30 Arbeitsstunden einklagte, sondern auch weiteren Lohn für Bereitschaftsdienste, die sie als zu zahlende Arbeitszeit ansah. (Hintergrund war gewesen, dass sie nach ihrem eigenen Vortrag rund um die Uhr in Bereitschaft gewesen war und dies auch musste …)
Das Bundesarbeitsgericht stellte zunächst fest, dass die Verpflichtung zur Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns bei Arbeit in Deutschland auch ausländische Arbeitgeber treffe, wenn sie Arbeitnehmer nach Deutschland entsenden.
Darüber hinaus stellte das Bundesarbeitsgericht auch fest, dass die im Haushalt der gepflegten Person verbrachte Zeit grundsätzliche Arbeitszeit sei, da die entsprechende Bereitschaftszeit als Arbeitszeit zu werten sei.
Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts sorgt nicht nur für rechtliche Klarheit. Sie wird insbesondere der sowieso angespannten Pflegesituation in Deutschland weitere Probleme bringen, weil es sich offensichtlich um mehrere hunderttausend Menschen handelt, die solche Dienste erbringen, in den verschiedensten vertraglichen Konstellationen.
Was hiervon nach einiger Zeit noch übrig bleiben wird, steht in den Sternen.
Im vorliegenden Fall hatte die alte Dame aus Berlin noch Glück: Arbeitgeberin war nicht Ziel oder einer ihrer Verwandten, sondern die bulgarische Vertragspartnerin der alten Dame, die nun auf Dauer wird zahlen müssen. (Es sei denn, sie geht pleite …)
Gefährlich wird es allerdings dort, wo der oder die zu Pflegende oder dessen Kinder … – Die können nach diesen Grundsätzen auch vor den Arbeitsgerichten verklagt werden und haben wahrscheinlich meist mehr Geld als irgendeine kleine bulgarische Kapitalgesellschaft.
Rechtsanwalt Klaus Maier als Fachanwalt zur Arbeit – und Insolvenzrecht steht Ihnen bei Problemen rund um diese Bundesarbeitsgericht Entscheidung im Rahmen laufender oder früherer Pflegefälle zur Verfügung.
Gerne prüfen wir auch für Sie, ob Ihnen angebotene Vertragsmuster Risiken beinhalten.