Arbeitgeber kommen immer wieder in die Situation, dass aufgrund von Unfällen oder aufgrund sonstigen unvorsichtigen Verhaltens der Arbeitnehmer ausfällt. Im Regelfall kommt dazu noch, dass in den ersten sechs Wochen der darauffolgenden Erkrankung der Arbeitgeber Lohnfortzahlung im Krankheitsfall zu leisten hat. Hier stellt sich dem Arbeitgeber immer wieder die Frage, ob das ausnahmslos gilt oder ob es Sachverhalte gibt, in denen der Arbeitgeber die Lohnfortzahlung verweigern kann.
Nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz besteht Entgeltfortzahlungsanspruch nur dann, wenn die Arbeitsunfähigkeit unverschuldet eingetreten ist. Der juristisch bewanderte Arbeitgeber könnte nun auf die Idee kommen, als Abgrenzungskriterium Fahrlässigkeit nach den Regeln des § 276 BGB zu nehmen. Dann wäre sehr oft keine Entgeltfortzahlung zu leisten.
Dem ist allerdings nicht so: Das Bundesarbeitsgericht definiert Verschulden in diesem Sinne als „grobes Verschulden gegen sich selbst“, also als unverständliches, leichtfertiges Verhalten des Arbeitnehmers, das vorliegt, wenn der Arbeitnehmer in gröblicher Weise gegen das von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhalten verstößt.“
Bei gefahrgeneigten Sportarten ist die Rechtsprechung hier sehr zurückhaltend. So führt selbst Amateurboxen nicht zwingend zu einem Verschulden im Sinne des Gesetzes sofern der Arbeitnehmer richtig ausgerüstet und mit der Sportart nicht offensichtlich überfordert ist . ( Bei Kickboxen ist dann aber Schluss!)
Sportverletzungen sind aber nicht das einzige Anwendungsgebiet des „Verschuldens“:
Grobfahrlässige Nichteinhaltung von Unfallverhütungsvorschriften, Teilnahmen an Raufereien, und besonders grobes Fehlverhalten im Straßenverkehr können eintretende Lohnfortzahlung ebenfalls entfallen lassen. Ein schönes Beispiel dazu ist der Beschluss des LAG Schleswig-Holstein vom 01.04.2019, Az. 1 TA 29/19:
Ein Arbeitnehmer war als Fahrradfahrer einen abschüssigen Fußweg mit einer lang gezogenen Kurve abwärts gefahren, und war dann auf diesem Weg auf einer dort befindlichen Treppe gestürzt. Dabei hat er nicht berücksichtigt, dass ein Verkehrszeichen den Weg ausdrücklich als Fußweg kennzeichnete und dass ein schriftlicher Zusatz: „Durchfahrt für Radfahrer nicht möglich“ ebenfalls angebracht war. Dabei war sogar das Wörtchen „nicht“ auf dem Schild unterstrichen.
Originalzitat des Gerichts:
„Mit diesem Sachvortrag ist schlüssig dargelegt, dass den Kläger ein grober Verstoß gegen das eigene Interesse eines verständigen Menschen trifft, wenn er trotz dieser ausdrücklichen Warnung und der teilweisen uneinsehbaren Teil des Weges weiterfährt. Wenn bei einem ausgeschilderten Fußweg der ausdrückliche Zusatz aufgeführt ist, es sei eine Durchfahrt für Radfahrer nicht möglich und das Wort „nicht“ auf dem Schild unterstrichen ist, dann drängt sich auf das am Ende des Weges eine Treppe, ein Absatz, eine Sperre oder irgend ein Hindernis ist, an dem man mit einem Fahrrad nicht vorbeifahren kann.“
Was sagt dieses Urteil dem Arbeitgeber?
Lohnfortzahlung ist nicht immer Schicksal! Wenn auch die Voraussetzungen nicht zu unterschätzen sind: Auch ein „ besonders dappiges“ Verhalten des Arbeitnehmers in Alltagssituationen kann zu einem Wegfall der Lohnfortzahlungspflicht führen.