Eine neue Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH IX ZB 77/18, Beschluss vom 16.07.2020)
Die wichtigste Frage in einem Insolvenzverfahren über das Vermögen einer natürlichen Person ist die Frage, was am Ende des Verfahrens mit den Schulden passiert. Sind sie weg? Sind sie noch da? Dürfen die alten Gläubiger wieder anfangen zu vollstrecken?
In der Regel steht am Ende des Verfahrens eine Restschuldbefreiung, d.h., dass im Regelfall die Altforderungen vom alten Gläubiger nicht mehr durchgesetzt werden können (Es gibt Ausnahmen für einzelne, besonders „ böse“ Forderungen – der Gesetzgeber nennt sie “ vorsätzlich deliktische“, aber im Regelfalle ist der Schuldner mit der Restschuldbefreiung wieder komplett „ frei“ .)
Das gilt aber dann nicht, wenn die Restschuldbefreiung versagt wird und das ist üblicherweise dann der Fall, wenn der Schuldner bestimmte wesentliche Verfahrenspflichten verletzt hat.
Um so einen Fall ging es hier beim Bundesgerichtshof: Der Schuldner hatte (vereinfachter Sachverhalt) einige Lebensversicherungen, die auf ihn liefen, aber wohl wirtschaftlich der Absicherung seiner Ehefrau dienen sollten (so zumindest seine Aussage), im Insolvenzverfahren über sein Vermögen dem Insolvenzverwalter nicht mitgeteilt.
Irgendwann im Verfahren kamen dann von außen doch Infos über die Existenz der Lebensversicherungen an den Insolvenzverwalter. Der nahm sich den alten Spruch „ Ein Mann muss tun, was ein Mann tun muss…“ zu Herzen und verwertete pflichtgemäß die Lebensversicherung zu Gunsten der Gläubiger.
Der Bundesgerichtshof hatte letztlich über einen Antrag eines Gläubigers auf Versagung der Restschuldbefreiung zu entscheiden und entschied zulasten des Schuldners.
Zum einen ließ er das Argument nicht gelten, dass letztlich die Versicherungen doch zu Gunsten der Gläubiger verwertet worden seien: Es reiche, wenn das Verhalten des Schuldners zwischenzeitlich die Interessen der Gläubiger beeinträchtige (Das war so. Wenn von außen nicht später die Infos gekommen wären, wären die Versicherungen unentdeckt geblieben…)
Nach dem Gesetz könnte der Schuldner auch versuchen zu beweisen, dass er für die Verletzung seiner Informationspflichten nichts kann, dass er also schuldlos gehandelt habe. Natürlich berief er sich auf einen Irrtum, dem er angeblich bei seiner Beurteilung aufgesessen sei. Der Bundesgerichtshof fand das allerdings auch nicht richtig lustig. Er war der Meinung, dass die Beurteilung der Verwertbarkeit der Versicherungsverträge nicht dem Schuldner zusteht, sondern dem zur Verwertung gesetzlich berufenen Insolvenzverwalter. Und das hätte ihm auch unproblematisch klar sein müssen. Der Bundesgerichtshof fand das Verhalten (zu Recht!) also nicht nur für „ nicht schuldhaft“, sondern sogar für „grob fahrlässig“. Und das war es dann in dem Fall mit der Restschuldbefreiung.
Was lernen wir daraus? Ist man sich als Schuldner im Insolvenzverfahren nicht sicher, ob einzelne Vermögenswerte in die Masse fallen oder nicht, ist es für die angestrebte Restschuldbefreiung riskant, selbst eine eigene Entscheidung darüber zu treffen und dem Verwalter nicht die Möglichkeit zu geben, sich seine eigene Meinung zu bilden. Insbesondere sollte man ihm möglichst früh mitteilen, was an Vermögenswerten solcher Art da ist und nicht darauf hoffen, dass das nicht auffliege. Wenn irgendein Gläubiger von außen den Insolvenzverwalter darüber informiert, ist es nämlich zu spät.