Grundsätzlich gilt, dass Zeugen, die entweder mit einem Angeklagten verwandt oder verschwägert sind, gemäß § 52 Abs. 1 StPO ein sogenanntes Zeugnisverweigerungsrecht zusteht.
Daher sollte gut überlegt werden, ob man als Angehöriger tatsächlich gegenüber der Polizei, der Staatsanwaltschaft, dem Gericht oder anderweitiger Dritter, beispielsweise Sachverständigen, überhaupt Angaben macht oder ob man dem Betroffenen/Angeklagten möglicherweise dadurch mehr schadet als hilft.
Das können Angehörige jedoch leider selten selbst entscheiden, da ihnen die gesamte Tragweite einer Aussage und deren Bedeutung überhaupt nicht bewusst ist (Außer, sie sind selbst Fachanwälte für Strafrecht!).
Denn oft verhält es sich in der Praxis so, dass kurz nach einer begangenen Straftat die Angehörigen, denen ein solches Zeugnisverweigerungsrecht zustehen würde, Angaben machen, die sie später gegebenenfalls nach Aussprache mit dem Angeklagten nicht mehr wiederholen wollen. Oft geschieht das aus Trauer und Wut heraus. Oft schädigt man sich damit auf Dauer selbst.
Auch wollen Angehörige dem Betroffenen/Angeklagten durch ihre Angaben helfen, schaden jedoch leider oft mehr, als dass sie tatsächlich eine Hilfe sind.
Derartige Angaben führen dazu, wenn ein solcher Zeuge, dem ein Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 52 Abs. 1 StPO zusteht, in einem späteren Hauptverhandlungstermin davon Gebrauch macht, dass etwaige frühere Angaben des Zeugen bei der Polizei oder gegenüber Dritter weder in Schriftform noch in mündlicher Form berücksichtigt werden dürfen, sondern gemäß § 252 StPO einem Beweisverwertungsverbot unterliegen.
Das bedeutet, dass etwaige frühere Äußerungen gegenüber Zeugen oder auch Polizeibeamten dann nicht mehr berücksichtigt werden dürften, insbesondere auch keine protokollierte polizeiliche Vernehmung mehr durch das Gericht verlesen oder bei der Urteilsfindung als Begründung herangezogen werden darf.
Ausnahme hiervon ist die, dass im Rahmen einer richterlichen Vernehmung Angaben des Zeugen, dem ein Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 52 Abs. 1 StPO zusteht, trotzdem noch über den vernehmenden Richter (in der Regel ein Ermittlungsrichter) als Zeugen im Hauptverhandlungstermin eingeführt werden dürften.
Daher sollten sich Angehörige bereits frühzeitig gut überlegen, ob sie tatsächlich gegenüber Dritten, Polizeibeamten, insbesondere jedoch gegenüber einem Ermittlungsrichter, Angaben machen wollen, da sie mit einer solchen Vernehmung dem Angeklagten leider oft schaden könnten.
Sobald eine Vernehmung vor dem Ermittlungsrichter erfolgt ist, sind diese Angaben leider immer noch im Rahmen einer Zeugenvernehmung des Ermittlungsrichters zu beachten, selbst wenn der entsprechende Zeuge in einem etwaigen Hauptverhandlungstermin einer Verwertung widerspricht bzw. von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch macht.
In der Regel versuchen deshalb die Ermittlungsbeamten der Polizei und die Staatsanwaltschaft bereits frühzeitig Angehörige von Beschuldigten/Angeklagten, über einen Ermittlungsrichter zu vernehmen, eben gerade um zu verhindern, dass die Angehörigen, wenn sie sich wieder etwas beruhigt oder mit dem Angeklagten ausgesprochen haben, keine Angaben mehr machen und somit zu der Tataufklärung nichts mehr beitragen.
Gefährlich ist insoweit auch, wenn ein solcher Zeuge zwar im Hauptverhandlungstermin von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch macht, dem Gericht allerdings erlaubt, frühere Aussagen zu verwerten. In diesem Fall dürften derartige Aussagen, auch wenn sie nicht vor dem Ermittlungsrichter erfolgt sind, dann auch tatsächlich berücksichtigt und im Urteil als Begründung herangezogen werden.
Allerdings darf der Zeuge nur begrenzt über den Verfahrensstoff entscheiden, so hat der BGH in seinem Beschluss vom 18.10.2023 (vgl. 1 StR 222/23) beispielsweise entschieden, dass in einem solchen Fall, in dem von einem Zeugnisverweigerungsrecht nach § 52 Abs. 1 StPO in einer späteren Hauptverhandlung Gebrauch gemacht wird, keine Beschränkungen auf einzelne Vernehmungen erlaubt sind.
Entweder wird die Verwertung aller Vernehmungen und Angaben unbeschränkt erlaubt oder es darf keine Verwertung stattfinden, mit Ausnahme der Angaben gegenüber dem Ermittlungsrichter.
Insoweit ist es dringend ratsam, dass sich auch Angehörige, die als Zeugen in Betracht kommen, dringend anwaltlich beraten lassen, bevor sie möglicherweise für den Angeklagten einen „irreparablen Schaden“ durch ihre frühzeitige Vernehmung bei einem Ermittlungsrichter oder durch die Erlaubnis der Verwertung früherer Vernehmungen und Angaben anrichten.
Miriam Mager
Fachanwältin für Strafrecht
Tätigkeitsschwerpunkt Familienrecht
Telefon: 07720 996860
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