Derzeit in aller Munde ist ein etwas freches Dienstleistungs-Startup, welches in Zusammenarbeit mit einem für sie tätigen Arzt gegen Gebühr die Erteilung von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen aufgrund einer online erstellten eigenen Einschätzung des Arbeitnehmers über seine (angebliche?) Krankheit anbietet. ( „Lass mal nachdenken: Ja, meine Nase tropft…, Kopfschmerzen habe ich auch, Gliederschmerzen sowieso und dann dieser Druck auf der linken Schläfe: Alles mal fröhlich eingetippt… „) Der Arbeitnehmer gibt seine angeblichen Symptome an und das Startup schickt per Whatsapp eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Natürlich hat der Arzt, der sie ausstellt, den Patienten nie gesehen.
Zwischenzeitlich gibt es – nicht im Arbeitsrecht, aber im Wettbewerbsrecht – eine erste rechtliche Einschätzung dieses Spuks. Das Landgericht hatte über eine Klage eines im Wettbewerbsrecht klagebefugten Vereins auf Unterlassung gegen das Startup zu entscheiden.
Und – erfreulicherweise – das Landgericht gab der Klage auf Unterlassung vollumfänglich statt.
Die Ausstellung einer AU- Bescheinigung durch den mit dem Unternehmen zusammenarbeitenden Arzt sei ein Verstoß gegen die ärztliche Sorgfaltspflicht. Mit den gesetzlichen Vorgaben einschlägiger standesrechtlicher Normen für Ärzte sei es „unvereinbar, wenn Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen regelmäßig bei nur leichten Erkrankungen wie Erkältungen ohne persönlichen Kontakt erteilt würden.“
Für eine ordnungsgemäße Diagnose sei grundsätzlich ein unmittelbarer Eindruck von Patienten erforderlich, ohne diesen sei es nicht möglich, mit der gebotenen Sorgfalt festzustellen, ob der Patient die Symptome nur forttäusche oder tatsächlich an der behaupteten Erkrankung leidet.
Auch die rechtliche Bedeutung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung als Grundlage für den Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall verbiete den Verzicht auf den persönlichen Kontakt.
Dies genügte dem Landgericht, um den wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch zu bejahen und das Startup zu verurteilen.
Man kann nur hoffen, dass die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung diese wettbewerbsrechtliche Einschätzung teilt und dergestalt erteilten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen den normalerweise hohen Beweiswert schlicht versagt.